Zweiter Tag

Tante hütet heut' das Haus,
Sandt' allein die Kinder aus,
Denn ihr war das Knie zerschürft,
- Was ihr mir schon glauben dürft, -
Und ganz rot die kleine Zeh,
Was ja selbstverständlich weh
Jeder Tante sicher tut,
Sei sie noch so lieb und gut!
Len' und Liese wollten nun
Aber leider noch nicht ruh'n,
Sondern haben nachgedacht,
- Denn ihr Herz, schwarz wie die Nacht,
War auf Bosheit nur bedacht -
Wen sie wohl durch Unmanieren
Heuite könnten schikanieren.
Auf der Dünen höchsten Gipfeln
Pfiff der Wind in bunten Wipfeln
Blauer Disteln melodiös;
Len' und Liese - malitiös -
Ohne nur sich zu genieren,
Kraxelten auf allen Vieren
Hin und brachen dort - schwipp, schwapp -
Massenhaft viel Disteln ab!
Tut man dies zu Fromm und Nutzen,
Um die Stuben auszuputzen
Und zu zeigen sich erkenntlich,
So ist solche Tat verständlich;
Tut man's aber, weil man weiß,
Daß die Stacheln brennen heiß,
Wenn man Unfug damit macht,
Ist es eine Niedertracht.
Liese schob den Distelpack
Flink in einen großen Sack,
Den sie gleich in Anbetracht
Dessen hatten mitgebracht.
Rittlings rutschten beide munter
Dann die Dünen schnell hinunter,
Zogen mit sich durch den Sand
Ihrer Bosheit Unterpfand.
Hoch in enger Bodenkammer
Stand der Marthe Bett. O Jammer!
Da hinein ins Unterpfühl
Stopften sie der Disteln viel.
Als die Marthe, brav und gut,
In ihr Bett nun steigen tut,
Wird sie wild. - Wer würd' es nicht?
Denn das Distelzeug, es sticht
In die Füße sie und höher,
Wo dies tat bedeutend weher!
Marthe springt entsetzt empor,
Stürzt aus ihrer Kammer vor,
Rollt im Finstern - purzel, purzel! -
Treppab, g'rad wie eine Wurzel,
Bleibt gleich einer toten Fiegen
Ohnmachtsvoll da unten liegen.

Andre Kinder hätt's betrübt!
An der Tat, die sie verübt
Und solch üble Folgen trug,
Hätten wahrlich sie genug.

Unsern beiden Rangen hier
War's noch nicht genug Pläsier.
Weiter mit dem dritten Tag

Erstellt von Jochen Schöpflin
Zuletzt aktualisiert am Montag, 22. August 2005